Reiseziel Stille
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Reiseziel Stille
Das grandiose Nichts
Tag und Nacht Autolärm, dröhnende Maschinen, nächtlicher Partylärm und wo man geht und steht nervendes Handygebimmel. Der Alltag ist geprägt von einer ständigen Geräuschkulisse. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen im Urlaub nach einem Ort absoluter Stille sehnen. Wir stellen einen Urlaub in Oasen der Ruhe vor.
Stundenlang kein Mensch, kein Auto, kein Haus – kilometerweit nur Wiesen, Moos, Berge, See und Stille. Der Wolfgangsee lässt Reisende in ruhigen Zeiten nicht mehr los, raubt den Atem – und öffnet ihnen am Ende die Augen für die große Leere – das grandiose Nichts.
Es ist Herbst im Salzkammergut. Hoch oben auf der Alm. Tagelang. Grasbüschel sehen im ersten Tageslicht aus wie Tausende rot schimmernde Igel. Hinter uns brennt der Himmel, vor uns erhebt sich der Purtschellersteig. Gerade erst haben wir unser warmes Bett auf dem Schafberg verlassen, bereit für einen zweiten Wandertag. Wir machen uns auf den Weg – auf den steilen Weg ins Nichts. Ab jetzt umgeben uns nur noch einsame Bergseen, Almwiesen, spektakulären Berggipfel und Ruhe. Dort, auf 1.783 Höhenmetern, scheint die Zeit langsamer zu verstreichen. Vor allem in der „staden“ Zeit. Wir wandern los. Atmen so richtig durch und schalten ab.
Zurück vom Berg bewundern wir die idyllischen schmalen Gassen und wunderschön restaurierten, teils bemalten Häuser. Schön ist es hier und doch haben wir unsere Rückkehr in den Ort hinausgezögert. Wollten ein bisschen die Verlorenheit bewahren, die uns über mehr als drei Tage begleitete. Wir treffen einen Touristen mit großer Kamera um den Hals. Wo wir denn als nächstes hinwollen?
Ich zähle ihm auf: Immer rund um den See, quer durch alle Orte, ans Ufer und raus auf den See. “Aber da ist doch nichts”, sagt er und kann nicht fassen, dass dies unsere Wahl sein soll. Er betet Alternativen vor, wie die Stadt Salzburg, da wäre es noch sehr belebt und nicht so ruhig.
Aber genau das ist es was wir wollen. Unser Entschluss steht fest, denn wir wollen sie finden, die geheimen, stillen Plätzchen voll „ruhigem Leben am See“. Große Literaten, die das Salzkammergut bereist haben, sind schließlich auch nicht dem Trubel gefolgt – sondern den Geschichten, die ihren Weg säumten.
Also erstmal Geschichten sammeln. Einheimische fragen und den See so erleben wie sie. Es ist spät, wir setzen uns in eine Lounge am See mit einem kühlen „Liebesgut“ – ein regionales Bier, sehr geschmackvoll. Unsere Lider werden schwer, die Beine sind es schon.
Und dann plötzlich der Moment, der mich wieder aufweckt. Mir fast den Atem raubt. Kein Feuerwerk schafft, was Wolken und Abendsonne am Himmel veranstalten. Er steht in Flammen. Wolken, Wirbel und kleine Tupfer malen ein Bild in Orange, Rot und Lila. Fast eine Stunde bewegen sie sich über das Blau, dann erlöschen die Flammen mit der Dunkelheit.
Am nächsten Morgen stehen wir früh auf. Der See liegt still. Mit dem Kanu fahren wir hinaus. Vor uns steigen sanfte Nebelschwaden über dem Wasser auf. Das Ufer und der Ort entfernen sich langsam. Sehen fast aus, wie Venedig im Nebel. Keine Wellen. Kein Schiff ist unterwegs. Kurz hatten wir überlegt, ob man zu dieser ruhigen Jahreszeit überhaupt auf den See darf, so idyllisch einsam lag das Kanu vor uns. Aber: man darf.
Sanftes Wasserplätschern dringt an unsere Ohren. An einem entlegenen Zipfel des Wolfgangsees bewundern wir das türkis-blaue Farbenspiel des Wassers und kriegen fast ein wenig Robinson-Feeling als wir in der Ferne einen Fischer beobachten.
Wir chillen noch eine ganze Weile vor uns hin. Bewundern die steilen Felsen, die über dem Wasser thronen, erleben den See hautnah und machen Pläne für den nächsten Tag. Für unseren Trip zum Theresienstein. Ein Aussichtsfelsen mit Panoramablick über den Wolfgangsee. Noch ein einsamer Geheimtipp zum Picknicken bei Sonnenuntergang. Wo sich Fuchs und Hase sprichwörtlich Gute-Nacht sagen.
Jetzt heißt es erstmal zurückpaddeln. Nach einem romantischen Abendessen im Kerzenschein in einem der kulinarischen Hot-Spots am See freuen wir uns über einen kurzen Spaziergang, zurück ins stylish-luxuriöse Greenhouse Appartement. Und während am herbstlichen Nachthimmel die Sternschnuppen ihre Bahnen ziehen, stört kein Lärm unseren Schlaf im Ort. Nach einem üppigen Frühstück am Morgen können wir nicht widerstehen und springen in den See.
Okay, definitiv etwas für Hartgesottene und ein kurzes Vergnügen, aber so verführerisch. Die Strobler Bucht ist flach und das Wasser oft noch wärmer. Danach: Aufwärmen bei einem heißen Getränk in der Wolfgangseer Sonne. Dort angekommen, will man ohnehin so schnell nicht wieder weg.
Nach Tagen der Stille, des Langsam seins und der ruhigen Zeit genießen, fühlen wir uns wie aus der Welt gefallen. Die Schönheit des Salzkammergutes hat uns eingefangen, die Örtchen am See betörend schön, alle samt aus sich gewachsen. Wir kommen wieder – um das grandiose Nichts im Winter und im Frühjahr zu erleben.